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Fallstricke bei Bewerbungsgesprächen in den USA
JR BECHTLE & Co.
JR BECHTLE & Co. | July 2020 | Publications
Fallstricke bei Bewerbungsgesprächen in den USA.
Dürfen Bewerber nach ihrem bisherigen Gehalt gefragt werden?
Es ist allgemein bekannt, dass Bewerbungsgespräche für Arbeitgeber einige Fallstricke bergen können. So dürfen in Deutschland in einem Bewerbungsgespräch Fragen nicht gestellt werden, die sich auf eine mögliche Schwangerschaft einer Bewerberin, eine Schwerbehinderung oder die Gewerkschaftszugehörigkeit abzielen. Was die Frage nach dem aktuellen bzw. bisherigen Gehalt von Bewerbern angeht, gibt es in Deutschland zwar keine gesetzlichen Vorgaben. Den Leitsatz, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Jahre 1983 aufgestellt hat (Urteil vom 19.05.1983 – 2 AZR 171/81) kann man dahingehend zusammenfassen, dass die Frage nach der bisherigen Vergütung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie für die erstrebte Stelle keine Aussagekraft hat. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die bisherige und die angestrebte neue Position zumindest vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und beispielsweise eine Vergütung auf Provisionsbasis erfolgte bzw. erfolgen soll. Ferner gilt allerdings der Grundsatz, dass Angaben, die ein(e) Bewerber(in) beispielsweise freiwillig zu seinem/ihrem früheren Gehalt macht, auch zutreffen müssen, weil der potentielle neue Arbeitgeber die Gehaltseinstufung daran möglicherweise orientiert.
In den USA gibt es nun einige ganz aktuelle Tendenzen, die (unzulässige) Frage nach dem bisherigen Gehalt gesetzlich zu regeln.
New York und New Jersey
So haben die US-Bundesstaaten New York und New Jersey kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das es Arbeitgebern verbietet, die Gehaltsverläufe von Bewerbern zu erfragen. Sowohl New York‘s Arbeitsgesetz (Abschnitt 194-A; in Kraft seit 6. Januar 2020) als auch New Jersey‘s Gesetz Nr. 1094 (in Kraft seit 26. Januar 2020) zielen darauf ab, zu verhindern, dass Gehaltsverläufe gegen Bewerber verwendet werden, wobei es leichte Unterschiede in der Ausführung gibt. Der Hauptunterschied zwischen den Gesetzen der beiden Bundesstaaten besteht darin, dass das Gesetz von New York in den meisten Fällen sowohl für Bewerber als auch für aktuelle Arbeitnehmer des Unternehmens gilt, während das Gesetz von New Jersey ausschließlich für Bewerber anwendbar ist.
Nur in Bezug auf die Bewerber verbietet das neue New Yorker Gesetz Arbeitgebern, sich bei der Entscheidung, ob sie den Bewerber einstellen oder welchen Lohn oder welches Gehalt sie ihm anbieten sollen, auf dessen Lohn- oder Gehaltsgeschichte abzustellen. Sowohl bei Bewerbern als auch bei aktuellen Arbeitnehmern können Arbeitgeber die Lohn- oder Gehaltshistorie eines Bewerbers oder aktuellen Arbeitnehmers nicht als Bedingung für ein Vorstellungsgespräch, als Bedingung für die weitere Berücksichtigung bei der Beschäftigung oder als Bedingung für die weitere Beschäftigung oder Beförderung fordern. Darüber hinaus ist es Arbeitnehmern untersagt, die Lohn- oder Gehaltsentwicklung eines Bewerbers oder derzeitigen Arbeitnehmers von einem derzeitigen oder ehemaligen Arbeitgeber, derzeitigen oder ehemaligen Arbeitnehmer oder einem Vertreter des derzeitigen oder ehemaligen Arbeitgebers des Bewerbers oder derzeitigen Arbeitnehmers anzufordern. Schließlich dürfen sich Arbeitgeber nicht weigern, ein Vorstellungsgespräch zu führen, einen Bewerber oder gegenwärtigen Mitarbeiter einzustellen, zu befördern, zu beschäftigen und keine anderweitigen Vergeltungsmaßnahmen gegen ihn ergreifen, weil er keine Lohn- oder Gehaltsliste vorgelegt hat oder weil der Bewerber, gegenwärtige oder ehemalige Mitarbeiter bei der Abteilung eine Beschwerde wegen Verletzung dieses neuen Abschnitts des Arbeitsgesetzes eingereicht hat.
Es gibt jedoch einige Ausnahmen von diesen Verboten. Bewerber und aktuelle Mitarbeiter können freiwillig Lohn- oder Gehaltsverläufe offenlegen oder nachprüfen, solange sie nicht vom Arbeitgeber dazu aufgefordert werden. Arbeitgeber dürfen auch Lohn- oder Gehaltsverläufe bestätigen, aber nur dann, wenn sie einem Bewerber ein Angebot mit einer bestimmten Vergütung gegeben haben und der Bewerber oder aktuelle Mitarbeiter darauf mit von Lohn- oder Gehaltsinformationen reagiert, um ein höheres Gehalt als das ihm angebotene zu erhalten.
Ein Verstoß gegen die Bestimmungen kann zu Unterlassungsansprüchen und einem Anspruch auf Ersatz angemessener Anwaltskosten für den Bewerber oder aktuellen Mitarbeiter führen.
Wie bereits erwähnt, gilt das neue Gesetz in New Jersey nur für Bewerber und verbietet es, Löhne, Gehälter oder andere Leistungen auf der Grundlage der Gehaltshistorie nachzuprüfen. Arbeitgeber können auch kein Mindest- oder Höchstgehalt unter Bezugnahme auf die Gehaltsentwicklung eines Bewerbers festlegen.
Arbeitgeber können jedoch bei der Festlegung von Gehalt, Nebenleistungen und anderen Vergütungen die Gehaltsentwicklung berücksichtigen, wenn ein Bewerber die Informationen freiwillig und ohne Aufforderung oder Drängen des Arbeitgebers offenlegt. Der Arbeitgeber kann auch eine schriftliche Genehmigung zur Bestätigung des Gehaltsverlaufs, einschließlich Vergütung und Leistungen, anfordern, sobald dem Bewerber ein Arbeitsangebot mit einer Erklärung des gesamten Vergütungspakets unterbreitet worden ist.
Im Gegensatz zu New York gibt es in New Jersey wesentlich mehr Ausnahmen von dieser gesetzlichen Regelung. Das Gesetz ist insbesondere nicht auf Bewerbungen für interne Versetzungen oder Beförderungen beim derzeitigen Arbeitgeber anwendbar. Mit anderen Worten, die aktuellen Beschäftigten eines Unternehmens sind nicht durch das Gesetz geschützt. Das Gesetz gilt auch nicht, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines Bundesgesetzes oder einer Bundesverordnung handelt, worin ausdrücklich die Offenlegung oder Überprüfung der Gehaltsgeschichte vorgeschrieben ist. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber im Rahmen eines Background-checks nicht gehaltsbezogene Informationen, die der Bewerber offenbart hat, überprüfen. Wenn der Arbeitgeber diese Informationen anfordert, muss er jedoch angeben, dass Informationen über die Gehaltsentwicklung nicht offengelegt werden sollen. Wenn Informationen über die Gehaltsentwicklung trotzdem offengelegt werden, darf der Arbeitgeber diese Informationen nicht aufbewahren oder bei der Entscheidung über das Vergütungspakets für den Bewerber berücksichtigen. Schließlich ist es dem Arbeitgeber nicht untersagt, Informationen über die bisherigen Erfahrungen des Bewerbers mit Incentive– und Provisionsplänen und die diesen Plänen zugrunde liegenden Bedingungen und Konditionen anzufordern. Der Arbeitgeber kann jedoch keine Informationen über die Einkünfte des Bewerbers aus diesen Plänen verlangen. Der Arbeitgeber darf auch keine Informationen über die Geschichte der Incentive- und Provisionspläne anfordern, es sei denn, dies ist Teil des gesamten Vergütungspakets für den Bewerber.
Das Gesetz von New Jersey enthält auch eine Ausnahmeregelung für Arbeitsagenturen. Bewerber können den Arbeitsagenturen, die ihn bei der Arbeitssuche unterstützen, Informationen über die Gehaltsentwicklung zur Verfügung stellen, aber die Agentur darf diese Informationen nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Bewerbers an die Arbeitgeber weitergeben.
Ein Verstoß gegen das Gesetz kann zu einer Geldstrafe von 1.000 $ für den ersten Verstoß, 5.000 $ für den zweiten und 10.000 $ für jeden weiteren Verstoß führen.
Kalifornien
Seit dem 1. Januar 2020 hat Kalifornien auf diesem Gebiet eine Rechtsnorm übernommen, die ursprünglich vom US-Bundesstaat New York eingeführt worden ist. Es geht dabei um das New York State Human Rights Law (“NYSHRL”), welches Arbeitgebern verbietet, bei einer Klage wegen Diskriminierung, Belästigung oder Vergeltung nach dem NYSHRL ein Schiedsverfahren zu erzwingen. Kalifornien hat sich durch die California Assembly Bill 51 („AB 51-Gesetz“) dem NYSHRL angeschlossen. Es stellt damit jetzt in Kalifornien ein kriminelles Vergehen dar, wenn Arbeitgeber von Bewerbern oder aktuellen Angestellten verlangen, dass sie Ansprüche wegen angeblicher Verstöße gegen den California Fair Employment and Housing Act (“FEHA”) oder das kalifornische Arbeitsgesetz als Bedingung für eine Beschäftigung oder für den Zugang zu beschäftigungsbezogenen Leistungen vor ein Schiedsgericht bringen. Der FEHA regelt die meisten kalifornischen Arbeitsrechtsprozesse und verbietet Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz, einschließlich sexueller Belästigung. Das Arbeitsgesetz regelt die meisten Lohn- und Arbeitszeitfragen in Kalifornien. Wie im Staate New York ist es wahrscheinlich, dass das kalifornische AB 51-Gesetz wegen Kollision mit dem Bundesschiedsgerichtsgesetz aufgehoben wird. Eine solche Entscheidung kann jedoch Jahre dauern, und in der Zwischenzeit schafft das AB 51-Gesetz ein privates Klagerecht für Arbeitnehmer und gibt ihnen bei erfolgreichem Rechtsstreit Anspruch auf Ersatz von Anwaltsgebühren, was für die Arbeitgeber zu kostspieligen Gerichtsverfahren führen könnte.
Fazit
Arbeitgeber in den Bundesstaaten New York und New Jersey sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter bei der Einstellung keine Informationen über die Gehaltsentwicklung von den Bewerbern verlangen. Ebenso sollte jede Erwähnung der Gehaltsentwicklung in den Richtlinien oder in Handbüchern für Mitarbeiter gestrichen werden. Arbeitgeber sollten auch die Strafandrohungen für Verstöße gegen diese neuen Gesetze vor Augen haben. Arbeitgeber in den US-Bundesstaaten New York und Kalifornien sollten zur Risikovermeidung zwingende Streitschlichtungsbestimmungen aus Arbeitsverträgen streichen oder zumindest darüber nachdenken, ob solche Regelungen als „optional“ bezeichnet werden.
Tobias F. Ziegler, Bressler
Amery & Ross, P.C.
New York
und
Dr. Thomas Rinne
Buse Heberer Fromm, Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB,
Frankfurt am Main