Publications & News
CEO, President, Geschäftsführer – Leiter des Teams oder Leitungsteam
JR BECHTLE & Co.

JR BECHTLE & Co. | September 2020 | Publications
CEO, President, Geschäftsführer – Leiter des Teams oder Leitungsteam
Eine der Fragen, welche immer wieder gestellt wird: warum man nicht auch in den USA einfach ein dem europäischen Muster von partnerschaftlich und weitgehend gleichberechtigt neben- und miteinander arbeitenden Management-Teams (Geschäftsführungen) einsetzen könne.
Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen: Verteilung der Last der Gesamtgeschäftsleitung auf mehrere Schultern, breitere Wissens- und Persönlichkeitsbasis bei Entscheidungen, welche die langfristige Geschäftsentwicklung bestimmen, gegenseitige Beratung und Unterstützung (so einer der ‘Leiter’ krank oder auf Urlaub ist), weniger Verantwortung für den Einzelnen, höhere Stabilität und Kontinuität auf der Entscheidungsebene, gegenseitige Kontrolle (sicher ein Argument vonseiten der Muttergesellschaften); und nicht zuletzt die Tatsache, dass man dies ja schließlich so auch in der Zentrale handhabe. (Vereinheitlichung von Strukturen ist doch nicht schlecht?)
Jedoch kaum ein anderer Wunsch europäischer Firmenzentralen stößt in den USA auf derart starken Widerstand, wie der nach Management-Teams von ‚gleichberechtigten’ Führungskräften.
Nicht selten wird hinter dieser ablehnenden Haltung das Bemühen der lokalen Manager nach Einzelmacht und Positionsfestigung vermutet. Nichts jedoch könnte dem ferner sein, als die Vermutung, dass hier alleine Einzelpersonen ihren Vorteil suchen.
Tatsache ist, dass das im lokalen Umfeld geformte Denken und Selbstverständnis amerikanischer Manager eben sehr unterschiedlich von dem ihrer europäischen Kounterparts ist.
Es ist, im durchgehend hierarchisch geformten Gefüge amerikanischer Firmen (und der Gesellschaft im Allgemeinen) eben nicht ohne weiteres erkennbar, wie ein solches ‘partnerschaftliches’ Leitungsgefüge in der Praxis funktionieren soll. Es gibt keine eingeführten und allgemein anerkannten Regeln und Erfahrungsmuster (oder auch nur Rechtsvorschriften) wie man denn nun in einer solchen Gruppenleitungsstruktur miteinander umzugehen habe.
Und die Mitarbeiter sind im Normalfalle eher verwirrt als positiv angetan von dem Vorhandensein mehrerer ‘Chefs’. Im „hire and fire“ Umfeld amerikanischer Firmen gehört es nun aber einmal einfach zum Überlebensrezept, zu wissen, auf wessen Anweisungen und Erwartungshaltungen man besser einzugehen habe.
Es darf hier auch nicht vergessen werden, dass – in den Augen des neuen Mitarbeiters – es eben nicht die Organisation (das Unternehmen) war, welches ihn einstellte, sondern der „direkte Vorgesetzte“. Und dies ist nun einmal ein Mensch aus Fleisch und Blut; offensichtlich eine wichtige Person, die einen genug schätzte, um aus einer Reihe von Mitbewerbern ausgewählt zu werden. Wer würde hier nicht vor (persönlicher) Loyalität übersprühen. Nicht zu vergessen, dass diese gleiche „Person“ es sein wird, welche einen vielleicht auch wieder rausschmeißt; so man eben nicht ausreichende Loyalität zeigt.
Es gibt immer wieder einmal Versuche mit Co-Managementstrukturen (nicht zuletzt nach dem Zusammenschluss zweier Firmen); funktioniert oder auch nur länger gehalten haben solche Experimente in den USA aber eigentlich noch nie.
Wie bei so vielen Dingen des Geschäfts- und Alltagslebens sollte darum auch hier die Regel gelten: Es ist im Normalfalle besser (und weniger energieaufwendig) sich an die eingeführten Strukturen und Regeln eines Marktes anzupassen und sich besser darauf zu konzentrieren diese zu optimieren, als Experimente mit dem etablierten System fremder Geschäftswelten durchzuführen (die man sowieso zumeist nicht richtig versteht und auf welche man somit letztlich eher emotionell – oder schlicht eurozentrisch – reagiert).
Soweit dies für die Rekrutierung von Top-Führungskräften gilt, würde kein selbstbewusster amerikanischer Manager mit CEO- oder President-Pedigree eine Einstellung als „Mit“-Geschäftsführer akzeptieren.
Nicht nur wäre er verunsichert, wie er sich zu verhalten habe (was denn nun die Regeln sind); es wäre aber auch ihm und allen anderen Mitspielern im Markt (Untergebene, Kunden, Lieferanten, bis hin zu Personalberatern und potenziellen zukünftigen Arbeitgebern) klar, dass er sich ‘unter Preis verkauft habe’; eine solche Wahl würde deshalb eher als Rückschritt in der Karriere des Managers angesehen. Wenn man bedenkt, dass der typische Jung-Manager in den USA bereits auf der Schule lernt, dass Karriere-Planung die zentrale Grundlage einer erfolgreichen Laufbahn ist, geht ein selbstbewusstes Managementtalent kaum ein solches Risiko ein.
Im Zweifelsfalle ist deshalb eine solche teamorientierte Leitungsstruktur oft nur für die lokalen Europäer (die damit etwas anfangen können) akzeptabel. Eine Limitierung des Kandidatenpools, welche nicht unbedingt immer angemessen ist.